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HändehygieneBest Practice

Kommunikation auf allen Ebenen: So wird Händehygiene Teil der Führungs- und Unternehmenskultur

Der Nutzen der Händehygiene ist wissenschaftlich belegt, doch im Klinikalltag geht das Einhalten von Hygienevorschriften immer wieder unter. Der Genfer „Infection Prevention and Control“ (IPC) –Think Tank um Didier Pittet stellt in einer 2019 erschienenen Publikation fest, dass es bei der Vermittlung der Hygienepraxis vor allem auf die Schulung von Implementierungskompetenzen ankommt. Aber auch das Verhalten der Führungskräfte hat großen Einfluss auf die Compliance der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Genau das kann Birgit Alpers aus ihrer persönlichen Erfahrung im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) bestätigen. Die Stellvertretende Direktorin für Patienten- und Pflegemanagement widmet sich dort seit Jahren dem Schwerpunkt Hygiene – mit einer umfangreichen Hygiene-Kampagne und großem Erfolg.

Die Arbeitsbelastung unter Ärzten, Pflegekräften sowie Therapeuten ist hoch, jede Zusatzaufgabe kostet Zeit und Energie. Das ist sicher einer der Gründe, warum die Umsetzung der Händedesinfektion so schwierig ist – auch wenn der Nutzen allen Fachkräften bekannt ist. Dazu kommt, dass der Nutzen beziehungsweise Schaden nicht sofort sichtbar ist. Denn was durch Infektionsprophylaxe am Entstehen gehindert wird, kann kaum zur Kenntnis genommen werden – und andererseits entwickelt sich zum Beispiel eine Wundinfektion erst allmählich. Aber es gibt noch weitere Gründe, die eher in der Verhaltenspsychologie liegen: Unser implizites und explizites Handeln passen nicht immer zusammen. Der innere Plan ist gefasst, aber in der Praxis überlagern andere Dinge das Vorhaben. Die KRINKO (Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention) nennt das die sogenannte „Intentions-Verhaltens-Lücke“ und fordert deshalb von den Verantwortlichen, bei der Vermittlung von Hygienevorschriften, verstärkt auf psychosoziale Faktoren wie Verhaltensplanung und -kontrolle zu setzen.

Wie die Implementierung von Maßnahmen zur Infektionsprävention und Antimicrobial Stewardship (AMS) verbessert werden kann, diskutierten im Juni 2017 insgesamt 42 Expertinnen und Experten in Genf, darunter Professor Didier Pittet. Die Ergebnisse dieses „Infection Prevention and Control“ (IPC) -Think Tank veröffentlichten sie knapp zwei Jahre später und fordern: Internationale Organisationen, nationale Gesundheitsbehörden und jede Gesundheitseinrichtung sollen die Umsetzung von Maßnahmen zur Infektionsprävention und AMS zur Priorität machen. Implementierung sollte nun Teil eines jeden Lehrplans im Gesundheitswesen sein, und es sollten IPC-Karrierewege geschaffen werden. Leitlinien und Richtlinien sollten aufeinander abgestimmt und evidenzbasiert sein. .[1] Bei ihren Forderungen stellen Pittet und sein Kollegium immer den Menschen in den Mittelpunkt. Sie sind der Meinung, dass persönliche Fähigkeiten unbedingt stärker ausgebildet und gefördert werden müssen, um Hygienevorschriften und wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen.
[1] https://aricjournal.biomedcentral.com/articles/10.1186/s13756-019-0527-1

Leiterin Hygiene Kampagne UKE

Birgit Alpers, Stellvertretende Direktorin für Patienten- und Pflegemanagement des UKE, hält das für genau den richtigen Weg. „Nur so werden wir es schaffen, die korrekte Händehygiene in das Routinehandeln unserer Ärzt:innen, Pflegekräfte und Therapeut:innen zu integrieren”, sagt sie. Eine Schulung allein reiche ihrer Meinung nach dafür nicht aus. Stattdessen seien Kompetenzen im Umgang miteinander gefordert. „Das geht bis hin zu einer regelrechten Hygienekultur”, erklärt sie und nennt ein Beispiel: „Uhren, Ringe und Schmuck sind bei uns während der Arbeit mittlerweile tabu – und das ist für alle Beschäftigten selbstverständlich.”

Kommunikation auf Augenhöhe und mit Begeisterung

Laut Pittet und seinen Kolleginnen und Kollegen kommt es vor allem darauf an, wie das Thema Hygiene vermittelt wird. Dem Thema Kommunikation schreibt der Think Tank dabei eine Schlüsselrolle zu. Die richtige Hygienekommunikation (mehr zum Konzept der Hygienekommunikation gibt es hier im Interview) kann also helfen, den Gap zwischen Intention und Handlung zu überbrücken sowie die Compliance und das korrekte Verhalten gemäß der Hygienevorschriften entsprechend zu stärken. Laut Alpers ist es dabei ein Erfolgsfaktor, dass die Hygienefachkräfte im Haus auf Augenhöhe mit Ärztinnen und Ärzten, Pflegekräften und Therapeuten kommunizieren – und als kompetente Partner wahrgenommen werden. „Sie müssen von ihrer Sache überzeugt und begeistert sein – und das auch weitergeben können”, schildert Alpers. Dazu gehört ihrer Erfahrung nach wiederum, dass die Hygienefachkräfte Rückhalt vom Vorstand und den Zentrumsleitungen erhalten und das Thema Hygiene als entsprechend wichtig bei allen Beschäftigten sowie Patienten platziert ist. „Das funktioniert aber nur, wenn es auch von den Führungskräften vorgelebt wird”, sagt Alpers.

Hygienekampagne

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Das Instrument der Zielvereinbarungen spielt dabei im UKE-Konzern eine wichtige Rolle. So wurden beispielsweise auf Zentrumsebene Ziele zur Compliance in der Hygiene und zum persönlichen Hygieneverhalten von Mitarbeitenden beschlossen, die multiprofessionell über alle Managementebenen umgesetzt werden. Diese Ziele werden somit bis auf die Stationsebene operationalisiert und beinhalten auch eine monetäre Komponente für die Hierarchiestufen im UKE. Im Jahr 2016 wurde zudem die erste krankenhausinterne Hygienekampagne initiiert, um die Compliance weiter zu erhöhen.

Mittlerweile ist die Kampagne in die dritte Runde gegangen. „Der Erfolg ist sehr gut und spiegelt sich in der wachsenden Hygienekultur wider”, sagt Alpers begeistert. Die Rückmeldung von Studierenden, Pflegekräften, Ärzten und Therapeuten, aber auch Patienten ist überwiegend positiv. „Wir schaffen es mittlerweile, offen über Hygiene zu sprechen und uns gegenseitig bei der Umsetzung der Vorschriften zu unterstützen.” Und auch wenn mal Kritik kommt: Wichtig sei, dass Hygiene im täglichen Sprachgebrauch der Mitarbeitenden angekommen ist. „Dafür braucht es natürlich kompetente Ansprechpartner:innen und eine entsprechende Organisationsstruktur”, stellt Alpers klar.

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Basierend auf dem Erfolg der Kampagne werden seit Beginn der Pandemie die notwenigen Hygienemaßnahmen mit einer eigenen Bildsprache begleitet. Die Vielfalt der Bildsprache geht über Abstandsmarker, große Poster bis hin zu Informationen darüber, wie viele Menschen sich gleichzeitig in Räumen oder Fahrstühlen aufhalten können. Die Taskforce Corona des UKE mit mehr als 30 interprofessionellen Führungskräften aus allen Bereichen des Hauses tagt regelhaft, zu den Hochzeiten der Pandemie täglich – auch am Wochenende. Hier festgelegte Hygienemaßnahmen werden umgehend durch die Unternehmenskommunikation in Bildsprache umgesetzt. Die Taskforce mit ihren flachen Hierarchien war und ist ein Erfolgsfaktor, um die Herausforderungen der Pandemie zu managen und die Vielzahl an Verordnungen umzusetzen.

Organisationsstruktur und Hygienekampagne als wichtige Erfolgsfaktoren

Das Team des Arbeitsbereiches Krankenhaushygiene (ABKH) setzt sich aus Ärzten, Hygienefachkräften, Pflegekräften in einer Weiterbildung zur Hygienefachkraft sowie einem gemeinsamen Sekretariat zusammen. Der Arbeitsbereich Krankenhaushygiene ist räumlich zusammengelegt, sodass kurze Wege, fachlicher Austausch und gemeinsame Teamsitzungen selbstverständlich sind. Das UKE setzt auf Mentorensysteme: Es sind in der Regel auf jeder Station/Funktionsabteilung zwei Hygienementoren verortet. Neben Pflegekräften sind auch Mitglieder aller anderen Gesundheitsfachberufe in die Ausbildung zur Hygiene-Mentorin oder zum Hygiene-Mentor involviert. Diese umfasst insgesamt 40 Stunden, die Liste der Dozentinnen und Dozenten rekrutiert sich sowohl aus dem Arbeitsbereich Krankenhaushygiene als auch aus Experten der beteiligten Tochtergesellschaften des UKE. Dazu gibt es einen zweitägigen Aufbaukurs, der vertiefende Fragen rund um die Hygiene klärt. Der Abschluss der Weiterbildung wird mit einem Zertifikat gewürdigt, und die Hygienementoren werden persönlich von den Zentrumsleitungen in die neue Aufgabe berufen. Im klinischen Alltag mischen sich die Mentorinnen und Mentoren als Teil des Teams immer wieder zum Thema Hygiene ein, informieren über Neues und sind wichtige Partner für die Hygienefachkräfte. Dazu gibt es diverse Treffen, wie die Teilnahme an den dezentralen Hygienekommissionsitzungen der Zentren und ein großes Jahrestreffen mit Fachvorträgen. „Für diese Treffen achten wir auf eine besondere Location und ein schönes Ambiente”, sagt Alpers, „denn wir wollen damit auch die Arbeit der Mentor:innen wertschätzen und sie in ihrem Bewusstsein für das wichtige Thema stärken.”

Bewährungsprobe in der Corona-Pandemie

Während der Pandemiezeit hat sich gezeigt, dass dieses über Jahre aufgebaute System von Hygienementorinnen und -mentoren für die Operationalisierung der Verordnungen ein wichtiger Faktor ist. Viele Fragestellungen, kurze Blitzlichtfortbildungen und natürlich das konkrete Doing im klinischen Alltag wurden von ihnen maßgeblich unterstützt. Ebenso hatten die Hygienefachkräfte mit „ihren“ Mentoren in den Zentren wichtige Partner, um das dynamische Pandemiegeschehen immer wieder neu zu bewerten und individuelle Maßnahmen umzusetzen.

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Die Hygienekampagne bediente sich Medien wie Flyern, Plakaten, Bildschirmschonern und kleiner Gimmicks, die auf das Thema aufmerksam machten – immer wieder und überall. Mit externer Unterstützung entwickelte ein multiprofessionelles Team mit der Unternehmenskommunikation Slogans, die zum Schmunzeln, Hinschauen und Diskutieren anregen. „Zunächst ist wichtig, dass alle Beschäftigten über das Thema Hygiene reden und es im Alltag präsent ist”, erläutert Alpers. Dazu kamen Infostände, zum Beispiel zu Händedesinfektionsmitteln. „Viele Kolleg:innen wissen oft gar nicht, dass es sehr gute, rückfettende Produkte gibt, die die Haut zusätzlich pflegen”, sagt Alpers.

Händedesinfektion als Thema auch im Gespräch mit Patienten und deren Angehörigen

Wer einen ähnlichen Compliance-Wandel in seiner Klinik vollziehen möchte, muss sich laut Alpers bewusst sein, „dass so ein Kulturwandel auch Geld kostet.” Die Hygienekampagne, Veranstaltungsorte der Mentortreffen und Infomaterialien sollten wertig sein, denn dadurch gewinne das Thema allein schon in der Erscheinung. Dazu kommt: „Hygiene ist nicht das Thema einzelner Beauftragter, sondern braucht viele Gesichter und muss vom ganzen Team gelebt werden – erst dann wird es auch nach außen hin sichtbar”, konstatiert Alpers. Im UKE sind zum Beispiel mittlerweile in jedem Patientenzimmer bunte Spender für Desinfektionsmittel installiert. Auch die Kampagne „watt mutt datt mutt“ mit schönen Hamburg-Bildern und Spendern in Neonorange animiert viele Besuchende, das Thema Händedesinfektion vor dem Besuch bei den Angehörigen ernst zu nehmen. „Das fällt unseren Besucher:innen auf – und kommt gut an”, sagt Alpers.

Wie wichtig der persönliche Kontakt mit Patienten und Kollegen für die Hygiene-Compliance ist, war dem UKE bereits vor einigen Jahren präsent: In einer Studie haben Alpers und ihr Team einige Tätigkeiten wie das Legen einer peripheren Verweilkanüle analysiert, die einzelnen Schritte samt Händedesinfektion in ein Schaubild überführt und den Prozess in einem Qualitätsmanagement-Handbuch festgeschrieben. „Aber erst der persönliche Kontakt mit den Kolleg:innen hat wirklich etwas verändert, im Gespräch konnten wir so manches Missverständnis klären – etwa, dass das Tragen von Einmalhandschuhen keine Händedesinfektion ersetzt”, beschreibt Alpers.

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Ebenso wichtig ist es aus ihrer Sicht, vor den Patientinnen und Patienten bei den einzelnen Versorgungsschritten über die Hygienemaßnahmen zu sprechen. Zudem habe sie beobachtet, dass gerade auch Angehörige und Freunde oft sehr dankbar seien für Hinweise zum Thema Händedesinfektion. „Denn so erfahren sie, wie sie zum Schutz der Erkrankten aktiv etwas beitragen können und fühlen sich weniger hilflos.” Aber das Thema „Patient Empowerment“ hat laut Alpers natürlich auch seine Grenzen: „Wir dürfen die Verantwortung nicht auf unsere Patient:innen auslagern – sie haben Anspruch auf professionelle Hygiene.” Und um diese zu gewährleisten, sind multimodale Ansätze, wie der Genfer Think Tank sie fordert, und Alpers sie im täglichen Krankenhausbetrieb umsetzt, essenzielle Bausteine einer besseren Compliance.

Unsere unter GMP-Bedingungen hergestellten Händedesinfektionsmittel finden Sie hier: L+R handdisinfect

Weiterführende Informationen rund um das Thema Hygiene stellt Ihnen unser L&R Prevent and Protect Portal zur Verfügung: LINK https://www.prevent-and-protect.de/

Eine umfangreiche Datenbank mit Pathogenen und dem jeweils notwendigen Wirkspektrum, um diese zu inaktivieren, finden Sie hier: https://www.prevent-and-protect.de/pathogene/

 

Social Media Kanäle des UKE:

Instagram: uke_hamburg | Twitter: @UKEHamburg |

YouTube-Kanal: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf | UKE – YouTube

LinkedIN: Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf | LinkedIn

[1] Zingg, W., Storr, J., Park, B.J. et al. Implementation research for the prevention of antimicrobial resistance and healthcare-associated infections; 2017 Geneva infection prevention and control (IPC)-think tank (part 1). Antimicrob Resist Infect Control 8, 87 (2019)

[1] Kampf G, Reise G, James C, Gittelbauer K, Gosch J, Alpers B. Improving patient safety during insertion of peripheral venous catheters: an observational intervention study. GMS Hyg Infect Control. 2013 Nov 6;8(2):Doc18

Fotos: UKE

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