Laut RKI variiert die Rate der zu erwartenden SSI nach Art der vorangegangenen Operation, nach der Kontaminationsklasse der Operation, nach patient:innenindividuellen und nach operationsspezifischen Risiken sowie nach weiteren Einflussfaktoren.1
Studien legen für den Fachbereich Herzchirurgie nahe, dass patient:innenseitig sowohl das Geschlecht als auch Diabetes Mellitus signifikante Risiken für SSI darstellen, letzteres insbesondere bei aortokoronaren Bypassoperationen (CABG)2. Aber auch Operationsbedingungen, wie z. B. Türöffnungen¹ während der OP sowie die Wahl der sternalen Verschlusstechnik4 bei der medianen Sternotomie beeinflussen das SSI-Risiko bei Herzoperationen.
Abuzaid AA et al. 20152: Komorbide Patient:innen (beeinträchtigte Nierenfunktion oder reduzierte linksventrikuläre systolische Funktion) weisen ein höheres Risiko für SSI nach aortokoronaren Bypassoperationen auf.
Chello C et al. 20204: Eine tiefe chirurgische Wundinfektion (DSWI = deep sternal wound infection) und Mediastinitis nach medianer Sternotomie bleiben nach einer Herzoperation signifikante klinische Komplikationen. Ihre Inzidenz liegt zwischen 1 % und 5 % und die damit verbundene Mortalität zwischen 20 % und 50 %. Die Wahl der sternalen Verschlusstechnik spielt bei der Prävention von DSWI eine entscheidende Rolle. Frühes aggressives chirurgisches Debridement, Unterdrucktherapie, Muskellappen und neuere Technologien verändern das Paradigma der Behandlung von DSWI.
Aghdassi SJS et al. 20195: Im Allgemeinen liegen die SSI-Raten bei Männern höher als bei Frauen. Für Herz- und Gefäßchirurgie liegt sie jedoch für Frauen signifikant höher als bei Männern.
Roth JA et al. 20196: Türöffnungen im Operationssaal können ein Risikofaktor für SSI sein. Hierbei wurden bei Herzoperationen Türöffnungen zwischen Inzision und Hautverschluss protokolliert. In der Analyse war eine erhöhte Türöffnungsfrequenz während einer Herzoperation mit einem höheren Risiko für SSI verbunden.
Martin ET at al. 20167: In einer Meta-Analyse konnte gezeigt werden, dass das Risiko für SSI bei Patient:innen mit Diabetes Mellitus höher liegt als bei Patient:innen ohne. Die OR lag bei kardiochirurgischen Eingriffen bei 2,03 (zum Vergleich: OR = 1,16 bei kolorektalen Operationen).
Hassoun-Kheir N et al. 20189: Die Studie definiert Risikofaktoren für Infektionen der Beinwunde nach einer CABG-Operation mit Verwendung der Vena saphena magna und schätzt die Konsequenzen für die Patient:innen ab: 10,3 % der Patient:innen entwickelten eine SSI im Bereich der Entnahmestelle. Bei 69,4 % der Patient:innen wurde eine SSI erst nach der Entlassung festgestellt.
Durch Präventionsstrategien – prä-, intra- und postoperativ – lassen sich SSI-Raten deutlich reduzieren. Dies konnten Al Salmi et al. an Patient:innen mit CABG deutlich zeigen. Mithilfe entsprechender Präventionsmaßnahmen ließ sich die SSI-Rate von 10,25 % auf 3,36 % senken. Beispielsweise durch präoperative CHG-Duschen (Chlorhexidin) konnte die SSI-Rate von 13,56 % in der Kontrollgruppe auf lediglich 1,69 % gesenkt werden.9
Die WHO empfiehlt u. a.: Herzchirurgische Patient:innen mit bekannter Staphylococcus aureus-Kolonisation sollten perioperativ intranasal 2 %-ige Mupirocin-Salbe erhalten, mit oder ohne Kombination mit Chlorhexidin- Körperwaschungen (strong recommendation, moderate quality of evidence).10
Bei dem Begriff Herzchirurgie denkt man zunächst an große Eingriffe wie Bypassoperationen oder Herztransplantationen sowie an lange Krankenhausaufenthalte. Aber auch hier gibt es zahlreiche Eingriffe, die ambulant durchgeführt werden können12:
Laut den Empfehlungen des RKI zur Prävention von SSI spielt die Frage, ob eine Operation „ambulant“ oder „stationär“ durchgeführt wird (d. h. mit oder ohne 24-Stunden-Aufenthalt) für die Einschätzung des SSI-Risikos keine Rolle.1
Zu einem teilweise vergleichbaren Ergebnis kam eine amerikanische Studie, die zeigte, dass die SSI-Raten bei ambulanten Eingriffen vergleichbar mit oder höher als die Raten bei stationär aufgenommenen Patient:innen waren. Beim Herzschrittmacher lag die Rate jeweils bei 0,4 %.13
1) Prävention postoperativer Wundinfektionen. Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut. Bundesgesundheitsbl. 2018;61:448–473.
2) Abuzaid AA et al. Potential Risk Factors for Surgical Site Infection after Isolated Coronary Artery Bypass Grafting in a Bahrain Cardiac Centre: A Retrospective, Case-Controlled Study. Heart Views. 2015;16(3):79–84.
3) Gesundheitsberichterstattung des Bundes – gemeinsam getragen von RKI und DESTATIS. Operationen und Prozeduren der vollstationären Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern. http://www.gbe-bund.de/oowa921-install/servlet/oowa/aw92/WS0100/_XWD_PROC?_XWD_2/1/XWD_CUBE.DRILL/_XWD_30/D.390/43135 (Letzter Zugriff: Dezember 2024).
4) Chello C et al. Deep Sternal Wound Infection (DSWI) and Mediastinitis After Cardiac Surgery: Current Approaches and Future Trends in Prevention and Management. Surg Technol Int. 2020;36:212–216.
5) Aghdassi SJS et al. Gender-related risk factors for surgical site infections. Results from 10 years of surveillance in Germany. Antimicrob Resist Infect Control. 2019;8:95.
6) Roth JA et al. Frequent Door Openings During Cardiac Surgery Are Associated With Increased Risk for Surgical Site Infection: A Prospective Observational Study. Clin Infect Dis. 2019;69(2):290–294.
7) Martin ET at al. Diabetes and Risk of Surgical Site Infection: A systematic review and meta-analysis. Infect Control Hosp Epidemiol. 2016;37(1):88–99.
8) Hassoun-Kheir N et al. Risk factors for limb surgical site infection following coronary artery bypass graft using open great saphenous vein harvesting: a retrospective cohort study. Interact Cardiovasc Thorac Surg. 2018;27(4):530–535.
9) Al Salmi H et al. Implementation of an evidencebased practice to decrease surgical site infection after coronary artery bypass grafting. J Int Med Res. 2019;47(8):3491–3501.
10) World Health Organization (WHO) (2018). Global guidelines on the prevention of surgical site infection. Geneva, WHO Document Production Services. https://www.who.int/publications/i/ item/9789241550475 (Letzter Zugriff: Dezember 2024).
12) Bundesverband ambulantes Operieren e. V. https://www.operieren.de/e3224/e10/e6846/.
13) Rhee C et al. Surgical Site Infection Surveillance Following Ambulatory Surgery. Infect Control Hosp Epidemiol. 2015;36(2):225–228.