Krankenhausflur mit Krankenhauspersonal

Best Practice

„Den Patienten gehen die Antibiotika-Optionen aus”

Bakterien und andere Krankheitserreger entwickeln zunehmend Resistenzen gegen antimikrobielle Mittel. Dr. Lauri Hicks von den US Centers for Disease Control and Prevention (CDC) hat ihre Karriere der Verbesserung des Antibiotika-Einsatzes gewidmet. Sie erklärt, warum Stewardship so wesentlich ist.

Stellen Sie sich einen Ort vor, an dem exotische Infektionen eher Standard als die Ausnahme sind. Auf genau diese Situation traf Dr. Lauri Hicks während ihres Stipendiumprogramms an der Abteilung für Infektionskrankheiten der Brown University. Tatsächlich begegnete sie – trotz der Lage der Universität in einer mittelgroßen Stadt in Rhode Island an der Ostküste der USA – vielen Patienten mit „ungewöhnlichen Infektionen“, die von Zecken oder Moskitos übertragen werden. Es waren jedoch nicht die exotischen Krankheiten, sondern der Mangel an Behandlungsmöglichkeiten, der sie tief beunruhigte. „Was mir Sorge bereitete, waren die Patienten, bei denen die Behandlung nicht zu funktionieren schien.“ In vielen Fällen waren die Standardantibiotika machtlos gegenüber antibiotikaresistenten Bakterien. „Wir mussten auf toxische Antibiotika zurückgreifen, die seit Jahren nicht mehr aus dem Regal genommen wurden“, erinnert sich Hicks.

Antibiotika und antimikrobielle Wirkstoffe retten Leben. Sie sind entscheidend für die Behandlung von häufigen Infektionen wie Lungenentzündung und unerlässlich für medizinische Eingriffe wie Operationen. Unter anderem durch jahrzehntelange „Überverordnung“ von Antibiotika haben Bakterien und andere Krankheitserreger jedoch zunehmend Resistenzen gegen diese ehemals wirksamen Medikamente entwickelt. Einige im Krankenhaus erworbene Infektionen (HAIs), wie z.B. mit Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA)-Bakterien, Clostridium difficile und postoperative Wundinfektionen (Surgical Site Infections, SSI) können lebensbedrohlich sein.1

Dr. Lauri Hicks
Dr. Lauri Hicks, Direktorin des CDC-Büros für Antibiotic Stewardship

Die wachsende Bedrohung durch Resistenzen veranlasste Dr. Hicks, ihre Karriere der Verbesserung des Antibiotika-Einsatzes zu widmen. Heute leitet sie das Office of Antibiotic Stewardship für die US Centers for Disease Control and Prevention (CDC).

Sie möchte sicherstellen, dass jeder Patient und jede Patientin die bestmögliche Behandlung erhält, bei Bedarf auch mit Antibiotika.

Gleichzeitig setzt sie sich dafür ein, dass das medizinische Fachpersonal die Art und Weise optimiert, wie es dieses Medikament verschreibt, und dass jede Klinik, Gesundheits- und Senioreneinrichtung über ein „Antimicrobial-Stewardship-Programm“ verfügt.

Worin besteht der Unterschied zwischen Antibiotika- und antimikrobieller Resistenz?

Antibiotika sind Medikamente, die zur Vorbeugung und Behandlung von bakteriellen Infektionen eingesetzt werden. Antibiotikaresistenzen treten auf, wenn Bakterien mit den Medikamenten in Kontakt kommen und sich als Reaktion darauf verändern. Die Bakterien, nicht der Mensch, werden antibiotikaresistent. Antimikrobielle Resistenz ist ein weiter gefasster Begriff, der auch die Resistenz gegen Medikamente zur Behandlung von Infektionen durch andere Mikroben wie Parasiten (z.B. Malaria), Viren (z.B. HIV) und Pilze (z.B. Candida) umfasst.2

Schwerpunkte der Stewardship-Programme

Zum Antimicrobial Stewardship zählen Strategien, Praktiken und Richtlinien, die darauf abzielen, den Einsatz von Antibiotika zu optimieren, um bessere klinische Ergebnisse zu erzielen. Dieses Programm basiert auf den so genannten ‚5 Ds‘ der antimikrobiellen Verschreibung: optimale Diagnose, Drug Selection (Medikamentenauswahl), Dosierung, Dauer und Deeskalation. Mit anderen Worten: Verwenden Sie das richtige Medikament in der richtigen Menge zur richtigen Zeit, aber nur bei Bedarf, nur so lange wie nötig, und reduzieren Sie die Menge, wenn dies möglich wird.3

Stewardship-Programme konzentrieren sich auch auf Verhaltensänderungen – zum Beispiel wählen Ärzte Schnelltests, damit sie rasch und präzise gegen bestimmte Krankheitserreger vorgehen können, anstatt Breitband-Antibiotika zu verschreiben.4 Apotheker schulen das Personal über den sinnvollen Einsatz antimikrobieller Wirkstoffe und geben den verschreibenden Ärzten Feedback.5 Krankenschwestern überwachen die Patienten, die Antibiotika einnehmen, genau.6 Und durch gute Hygienepraktiken arbeitet jeder daran, die Übertragung von Bakterien und anderen Krankheitserregern zu vermeiden und die Rate der nosokomialen Infektionen zu senken. Hicks erklärt: „Wir alle spielen eine Rolle bei der Prävention von Antibiotikaresistenzen.“


“Wir alle spielen eine Rolle bei der Prävention der Antibiotikaresistenz.”

Dr. Lauri Hicks, Direktorin des CDC-Büros für Antibiotic Stewardship

Durch Stewardship-Programme streben Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen an, die wichtigen Ziele zu erreichen: die Verbesserung der Patientenergebnisse (reduzierte chirurgische Infektionsraten, bessere Infektionskurraten), die Erhöhung der Patientensicherheit (weniger unbeabsichtigte Folgen antimikrobieller Mittel), die Verlangsamung der Ausbreitung von Resistenzen und die Senkung der Gesundheitskosten durch weniger Infektionen und einen geringeren Verbrauch von Antibiotika.

Engagement zeigen

Als Reaktion auf die Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen tut sich die medizinische Fachwelt zusammen, um Aufklärung und Hilfe zu leisten. Die CDC haben einen Leitfaden für Krankenhäuser, Pflegeheime und Ambulanzen entwickelt (die sogenannten Core Elements, zu deutsch Kern-Elemente), der ihnen helfen soll, Antibiotic-Stewardship-Programme in den Einrichtungen einzuführen. Die CDC schlagen sieben Schlüsselstrategien und spezifische Leitlinien dazu vor, wer was tun sollte, um eine erfolgreiche Umsetzung der Stewardship-Programme zu gewährleisten:

  1. Führungsengagement: Leisten Sie Unterstützung. Stellen Sie Personal und finanzielle Ressourcen für die Einrichtung des Antibiotic-Stewardship-Programms bereit.
  2. Verantwortlichkeit: Mindestens eine Führungskraft soll an der Leitung des Programms beteiligt sein.
  3. Arzneimittelkompetenz: Mindestens ein Apotheker oder eine Apothekerin soll die Initiativen zur bestimmungsgemäßen Medikamenten-Verwendung leiten.
  4. Aktion: Setzen Sie Maßnahmen zur Verbesserung des Antibiotika-Einsatzes um.
  5. Verfolgen: Überwachen Sie die Wirksamkeit der Antibiotika für alle Patienten.
  6. Berichterstattung: Geben Sie Feedback, sammeln und teilen Sie Informationen.
  7. Bildung: Klären Sie das Krankenhauspersonal, die Patienten und deren Angehörige über das Thema Antibiotikaresistenz auf.

„Das absolut wichtigste Element eines jeden Stewardship-Programms ist ein engagierter Führer oder Vorreiter“, betont Hicks.

Darüber hinaus bieten Krankenhäuser, Ärzteverbände und Gesundheitsbehörden von der lokalen bis zur internationalen Ebene Aufklärung über die Einrichtung von Stewardship-Programmen an. Das Material ist oft auf die jeweiligen Untergruppen zugeschnitten, wie z.B. Krankenhausärzte und Apotheker als Hauptberater für Antibiotika oder Krankenschwestern, die an vorderster Front bei den Hygienemaßnahmen stehen. Die meisten Ressourcen sind leicht zugänglich und oft kostenlos (siehe Kasten unten). Dazu gehören umfangreiche offene Online-Kurse (massive open online courses, MOOCS) auf Universitätsebene, aber auch Weiterbildungsangebote von medizinischen Organisationen. „Die Installation von ganzen ‚Programmen‘ ist in ambulanten Einrichtungen wie Arztpraxen möglicherweise nicht umsetzbar“, sagt Hicks, „aber ich halte es für wichtig, dass alle Gesundheitsdienstleister Engagement zeigen für die Verbesserung des Antibiotika-Einsatzes“.

Weltkarte mit Häufigkeit von Antibiotikaeinsatz
Hier gelangen Sie zur interaktiven Grafik 'Antibiotic Use' der CDDEP

Eine Botschaft zum Mitnehmen

Schließlich beinhaltet Stewardship auch, Besucher und die Öffentlichkeit über ihre Rolle zu informieren, Infektionen vorzubeugen und Patienten aufzuklären, wie man Antibiotika richtig einnimmt. Mit dieser Problematik war Hicks erst kürzlich direkt konfrontiert, als ihr Vater eine Infektion hatte, gegen die Antibiotika nicht gut wirkten. Auch hier mussten die Ärzte auf sehr starke intravenöse Antibiotika zurückgreifen. Hicks musste darüber nachdenken, was hätte passieren können, wenn die Medikamente versagt hätten. „Ich denke auch an die Patienten, die ich betreut habe und denen die Antibiotika-Möglichkeiten langsam ausgehen“, sagt sie. „Das macht mir Angst, denn es passiert heute noch häufiger als zu meiner Stipendienzeit.“

Wenn alltägliche Infektionen bedrohlicher werden als exotische, sollte uns bewusst werden, fügt Hicks hinzu, dass Antibiotika wie begrenzte natürliche Ressourcen sind, die wir durch umsichtigen Gebrauch erhalten müssen – damit auch Patienten wie ihr Sohn, seine Kinder und Kindeskinder Zugang zur lebensrettenden Kraft von Antibiotika haben.

Wichtige Fragen zur antimikrobiellen Resistenz (AMR)

Laden Sie hier unser Factsheet herunter

Weiterführende Informationen

  1. Diseases and Organisms in Healthcare Settings, Centers for Disease Control and Prevention

  2. What is the difference between antibiotic and antimicrobial resistance?, WHO

  3. National Quality Partners Playbook™: Antibiotic Stewardship in Acute Care, National Quality Forum

  4. The role of rapid diagnostics in antimicrobial stewardship, Cottam J, Infectious Disease News

  5. The role of the pharmacist in antimicrobial stewardship, Ashiru-Oredope D et al., Hospital Pharmacy Europe

  6. Redefining the Antibiotic Stewardship Team: Recommendations from the American Nurses Association/Centers for Disease Control and Prevention Workgroup on the Role of Registered Nurses in Hospital Antibiotic Stewardship Practices, American Nurses Association/Centers for Disease Control and Prevention (ANA/CDC)


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