Gelenkersatz-Operationen haben für viele Patient:innen einen erheblichen therapeutischen Nutzen, da sie Schmerzen lindern und die Mobilität verbessern. Die Vorteile solcher Operationen können jedoch durch postoperative Wundinfektionen (SSI), die mit einer hohen Patientenmorbidität einhergehen, stark beeinträchtigt werden. Die SSI-assoziierten Risikofaktoren zu reduzieren und Infektionskontroll-Protokolle vor, während und nach der Operation strikt einzuhalten, ist entscheidend. So lassen sich Infektionen minimieren und ein positives Ergebnis sicherstellen.
Als "Operation des Jahrhunderts" bezeichnet, hat die Hüft-Totalendoprothetik seit ihrer Einführung in den 1960er Jahren1 das Leben von Millionen Patienten revolutioniert. Mit diesem Implantat können Patienten, die vorher kaum gehen konnten, alle Bewegungsmöglichkeiten zurückerhalten und sich wieder "normal" fühlen. Heute zählen Gelenk-Ersatzoperationen wie Hüft- und Kniegelenkersatz bei einigen Erkrankungen des Bewegungsapparates zu den wirksamsten Eingriffen. Solche Operationen ermöglichen es sowohl jungen als auch älteren Patienten, Schmerzen zu lindern, die Lebensqualität wiederherzustellen und körperlich anstrengende Aktivitäten wieder durchzuführen.
Aus diesen Gründen ist die Inzidenz des vollständigen Gelenkersatzes mit über einer Million Eingriffen in den Vereinigten Staaten und fast 430.000 Eingriffen pro Jahr in Deutschland hoch2 3. Es wird erwartet, dass diese Zahlen künftig noch steigen werden. Der Grund: Die wachsende Nachfrage der Patienten nach verbesserter Mobilität. Prognosen gehen davon aus, dass die Zahl der Eingriffe bis zum Jahr 2040 auf über vier Millionen anwachsen, und der Gelenkersatz damit in naher Zukunft4 der häufigste elektive chirurgische Eingriff sein wird.
Dieser rapide Anstieg der Patient:innen in Kombination mit einer alternden Gesellschaft könnte aber dazu führen, dass die zunehmende Prävalenz von Adipositas und anderen Stoffwechselstörungen zu einer höheren Inzidenz postoperativer Komplikationen und vor allem zu postoperativen Wundinfektionen (SSI)5 führt. SSI (engl. für: Surgical Site Infections) sind in der Tat eine der häufigsten und bedrohlichsten Komplikationen nach dem Einsetzen von Hüft- oder Knieprothesen und stellen Patient:innen und Pflegepersonal6 vor erhebliche Herausforderungen. SSI in der Orthopädie sind beispielsweise eine der Hauptursachen für Morbidität und Mortalität. Sie verlängern zudem die Dauer von Krankenhausaufenthalten. Das belastet die Patient:innen nicht nur finanziell, sondern auch physisch und psychisch. Schließlich haben SSI in der Orthopädie langfristige Auswirkungen auf die Mobilität7. Mehr als 25 Prozent der Revisionsoperationen nach einer Endoprothetik werden auf SSI zurückgeführt, und diese bergen ihrerseits weitere Infektionsrisiken8.
Sie erhalten:
Ein Blick auf die epidemiologischen Daten zu den bei SSI identifizierten Mikroorganismen verdeutlicht, dass grampositive Kokken wie koagulasenegative Staphylokokken und Enterococcus ssp. für mehr als zwei Drittel der Infektionen verantwortlich sind. Gram-negative Bakterien finden sich bei 15 bis19 Prozent der SSI9. Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) machen 10 bis 25 Prozent der SSI nach einer Endoprothetik aus, und die nasale Besiedlung durch diesen Erreger erhöht das Risiko für SSI10. Tatsächlich stellt die zunehmende Inzidenz antimikrobieller Resistenzen ein so bedeutendes Problem dar, dass sie die Vorteile der Operation zu untergraben droht.
Daten aus dem Epidemiologischen Jahresbericht 2017 des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) berichten über eine durchschnittliche SSI-Inzidenz in der Orthopädie von einem Prozent bei Hüftprothesen-Operationen und 0,5 Prozent bei Knieprothesen-Operationen11. Nach Revision kann die Inzidenz aufgrund des invasiveren Eingriffs um bis zu fünf Prozent steigen5. Auch wenn diese Zahlen auf ein geringes Infektionsrisiko hindeuten, werden sie angesichts der steigenden Zahl der Operationen und der verheerenden Folgen signifikant. Daher ist es entscheidend, die Risikofaktoren für SSI in der Orthopädie zu identifizieren und zu reduzieren sowie die Maßnahmen zur Infektionsprävention und -kontrolle zu verbessern.
Das Risiko, nach einer Endoprothetik eine Infektion zu entwickeln, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Diese können mit dem Patienten, dem chirurgischen Eingriff oder dem Implantat selbst zusammenhängen. Einige dieser Faktoren lassen sich modifizieren, während andere nicht beeinflussbar sind. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2017 ergab, dass die wichtigsten patientenbezogenen Faktoren im Zusammenhang mit SSI in der Orthopädie männliches Geschlecht, Alter, Adipositas, unkontrollierter Diabetes mellitus, Harnwegsinfektionen, Alkoholmissbrauch und rheumatoide Arthritis sind. Ein schlechter Ernährungszustand führte zu unerwünschten Ergebnissen nach Endoprothesen, hauptsächlich aufgrund schlechter Wundheilung und erhöhter Infektionsraten.
Auch eine Skala der American Society of Anesthesiologists (ASA) größer als 2 gilt als Hochrisikofaktor. Dieser Score wird zur Beurteilung des allgemeinen Gesundheitszustands der Patienten vor der Operation verwendet, und ein Score größer als 2 deutet auf schwere Systemerkrankungen hin. Die Verwendung von Drainagen hatte dagegen einen schützenden Effekt für die Patienten12. Darüber hinaus wirkt sich die Dauer der Operation auch auf die Inzidenz von SSI nach Gelenkersatz13 negativ. aus Betrachtet man einige dieser Risikofaktoren, wird deutlich, dass die weltweit zunehmende Prävalenz von Krankheiten wie Adipositas und Diabetes sowie eine alternde Bevölkerung negativ zur Inzidenz von periprothetischen Gelenkinfektionen14 beitragen.
Um die zum Teil verheerenden Komplikationen SSI in der Orthopädie zu vermeiden, müssen verstärkte Präventionsmaßnahmen vor, während und nach der Operation durchgeführt werden. Ein wichtiger Aspekt dabei: Die vollständige Ausrottung einer bestehenden Infektion kann sehr schwierig15 sein. Zu den präoperativen Methoden gehören ein striktes Management der patientenspezifischen Risikofaktoren und Hygienemaßnahmen wie Duschen und die Therapie bestehender Infektionen. Auch potenzielle Infektionsherde auf der Haut und im Mund sollten behandelt werden. Patienten, die positiv auf eine nasale Staphylococcus aureus-Kolonisation getestet wurden, haben ein drei- bis sechsmal höheres Infektionsrisiko als Nicht-Träger. In einem solchen Fall sind Screening und Dekolonisation extrem wichtig. Außerdem sind die Vorteile einer prophylaktischen Antibiotikatherapie kurz vor einer Gelenkersatzoperation anerkannt.
Während der Operation ist die strikte Einhaltung der Hygieneprotokolle obligatorisch16. Diese regeln die Händehygiene, das Tragen von OP-Kleidung°, Masken°, OP-Mänteln° und Handschuhen° sowie die Desinfektion der Oberflächen°. Um das Risiko einer Kontamination durch Handschuh-Perforationen weiter zu verringern, tragen viele Chirurgen doppelte Handschuhe in der Operationsumgebung mit geeigneten Belüftungssystemen und beschränktem Verkehr im Operationssaal. Korrekte Operationstechniken sind ebenfalls erforderlich, um eine mikrobielle Kontamination zu vermeiden. Es gibt zudem mehrere Berichte, die besagen, dass ein Antibiotika-Zusatz im Zement das Risiko von Gelenkprothesen-Infektionen17 verringern kann.
Nach der Operation ist es wichtig, die Wunde sorgfältig zu beurteilen und zu beobachten, um mögliche Infektionszeichen frühzeitig zu erkennen. Die Verwendung von Antikoagulantien und die Wahl des Wundverbands° hängen von den lokalen Protokollen ab und unterscheiden sich in den verschiedenen chirurgischen Abteilungen. Gegenwärtig gibt es keinen eindeutigen Beweis für die Überlegenheit eines Verbandes gegenüber anderen18.
Da Infektionen oft mehrere Ursachen haben, reichen einzelne Maßnahmen oft nicht aus, um sie zu verhindern. Aus diesem Grund könnte sich die Kombination mehrerer Einzelmaßnahmen als wirksamer für die Prävention von SSI nach Gelenkersatz erweisen. Diese Maßnahmenpakete könnten Verfahren umfassen, die vom Operationsteam und/oder dem Patienten vor, während und nach der Operation zu befolgen sind. In diesem Zusammenhang ist die Aufklärung der Patient:innen vor einer geplanten Operation der Schlüssel, um die Sicherheit zu erhöhen19.
Die deutsche Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) hat 2018 Empfehlungen zur Prävention von SSI veröffentlicht, die auf eine Standardisierung der Infektionskontroll-Verfahren abzielen. In diesen Leitlinien schreibt die Kommission SSI-Überwachungsmaßnahmen, die eine Schlüsselkomponente in der Prävention von therapieassoziierten Infektionen darstellen und ein wichtiges Instrument zur Überwachung der Wirksamkeit von Präventions- und Kontrollmaßnahmen sind, verbindlich vor. Diese Leitlinien enthalten auch aktualisierte, evidenzbasierte Empfehlungen zur Prävention von SSI und geben Chirurgen Hinweise auf nützliche Praktiken bei der Nachbeobachtung20. Diese Maßnahmen zeigen auch, dass die kontinuierliche Nachverfolgung von SSI erheblich dazu beitragen kann, das Infektionsrisiko nach chirurgischen Eingriffen zu verringern21.
Angesichts der traumatisierenden Folgen von SSI in der Orthopädie nach Gelenkersatzoperationen sind Risikominimierung, korrekte Operationstechniken, Minimierung der Operationsdauer, Verwendung von Implantaten mit geringer bakterieller Adhäsion22 und Bündelung mehrerer Maßnahmen zur Infektionsprävention entscheidend, um die Inzidenz von Infektionen zu reduzieren. Um das angestrebte Ergebnis für eine wachsende Zahl von Patient:innen zu gewährleisten, sollten die Eingriffe daher unter Verwendung standardisierter Protokolle und der Einhaltung sämtlicher Richtlinien durchgeführt werden.
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